05.04.21 - Schmankerl-Buch über Küchen-Kultur an der Isar

 
Da traut sie sich was: aus rund 2700 gastronomischen Betrieben in der bayerischen Landeshauptstadt zwei Dutzend Beispiele herauszufieseln, die etwas Besonderes sind, mehr als nur Bier und Leberkäs bieten und Stoff für ein gleichzeitig nützliches als auch unterhaltsames Buch hergeben. Hannelore Fisgus hat es gewagt- und gewonnen. Ihr neues Werk heißt schlicht und einfach

München-Kultrezepte und Küchenschätze. Gerichte. Porträts. Geschichten.“ Erschienen im Christian-Verlag in München, 224 Seiten dick, Fotos von Ingolf Hatz, Preis: 29.99 Euro

„Die Auswahl meiner Wirtschaften, Bars und Bistros ist natürlich sehr subjektiv,“ betont die langjährige Autorin des Bayerischen Rundfunks. Macht nichts. Gerade das macht das Buch lebendig und garantiert spannende Einblicke in altbekannte und neue Lokalitäten. Es ist ein Streifzug für Genießer- egal, ob aus München selbst oder für „Zugroaste“ von weither. Die Stadt bietet ja buchstäblich für jeden Geschmack etwas. Fisgus hat Kuchen-backende Senioren besucht, sie probiert vegane Multi-Kulti-Gerichte, verrät, wo es die „coolsten Kartoffeln“ der Stadt gibt und schwelgt im Münchner Wursthimmel. Abgefahren-überteuerte Locations sind nicht ihr Ziel, sie mag es lieber bodenständig, aber mit Raffinesse. Und praktisch. 40 Rezepte für bayerische Klassiker und weltoffene Experimente hat die begeisterte Hobbyköchin zusammengetragen, alle sind mit wunderbaren Bildern des Fotografen Ingolf Hatz illustriert- da läuft dem Leser unweigerlich das Wasser im Munde zusammen!

Tageschronologisch spaziert die Autorin vom Frühstück im „Franzosenviertel“ ( dort, wo einst Karl Valentin seine Butterbreze knabberte) zum Weißwurst-Frühschoppen am Großmarkt („Das Wurstbrät muss locker und fluffig sein“), empfiehlt zum Mittagessen im „Bräuhaus Schneider“ im Tal Stierhoden (nur sonntags) oder Kinn vom Spanferkel, erfährt auf dem Viktualienmarkt, welche Sorte Kartoffeln ideal für den Kartoffelsalat ist( Linda) und welche den besten Reiberdatschi ergibt( Melba oder Gunda). Die nachmittägliche Brotzeit erfüllt sie sich mit einem original „Obazdn“, einer in den 1920er Jahren in Weihenstephan kreierten Mischung aus angemachtem reifen Camembert und Romadur, die Lust auf Süßes wird mit der legendären Prinzregententorte aus dem Café Erbshäuser befriedigt. 
Ihre sieben Biskuit-Schichten stehen für die sieben bayerischen Regierungsbezirke. Unter Prinzregent Luitpold durfte man sich durch acht Schichten durchlöffeln- damals, anno 1875, gehörte die Pfalz noch zu Bayern. Abends dann geht’s zuerst ins „Schwanthaler“ vis-a-vis der monumentalen Bavaria, wo eine junge Wirtin das klassische Böfflamott kreiert und serviert oder zu den vielzitierten Tofu-Bratlingen , die im veganen „Bodhi“ im Westend auf der Speisekarte stehen. Auch eher außergewöhnliche Adressen sind zu finden, etwa das „Mural“, wo es Holunderkapern gibt oder das Restaurant im Bayerischen Nationalmuseum. 

Zum guten Abend ein Abstecher ins „Kubaschewski“ am Stachus: dort hat einst die Schickeria der 50iger und 60iger Jahre gefeiert, heute warten 110 Sorten Champagner auf die Durstigen der Nacht. Wer keinen Schampus mag, der sollte den „Hollywood Buzz“ probieren: Bergamotte-Likör und Zitronensaft, aufgegossen mit Prosecco. Biertrinker werden woanders glücklich. Nicht nur im wunderschönen Augustiner-Biergarten mitten in der Stadt, sondern auch in Hotspots der neuen Münchner Bierkultur. Die heißen Giesinger, Haderner oder Hopfenhäcker, sind aus kleinen Start-ups hervorgegangen und vermitteln ganz neue Geschmackserlebnisse in der Stadt des Bieres.
Das Ganze garniert Hannelore Fisgus mit liebenswerten Geschichten über die Menschen hinter den Tresen und in der Küche, würzt es mit interessanten Hintergründen (der vermeintlich urbayerische Leberkäs stammt von einem Metzger aus Mannheim und wird mit zerstoßenen Eiswürfeln hergestellt!) und praktischen Tipps für das Kochen am heimischen Herd. Mit der „Klopfprobe“ lässt sich beispielsweise herausfinden, ob das selbstgebackene Weizenmischbrot schon fertig ist(„ klingt hohl“) oder nicht(„Brot klingt dumpf“). Und alle Weißwurstesser sollten wissen: die kultigen Würste werden nur stückweise bestellt, wer Paarweise ordert, outet sich als „Zugroaster“…

Lutz Bäucker


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